Lockdown Nr. 2 –Elternsicht

Wahrscheinlich hat fast allen Eltern gegraut vor der Vorstellung, dass es wieder „Homeschooling“ geben wird, als sich das im Dezember 2020 andeutete. Nicht schon wieder tagelang Kinder motivieren, drohen und erpressen, damit freiwillige Aufgaben erledigt werden, die nicht notenrelevant sind. Und das neben Job und Familie, dem ganz normalen Wahnsinn?

Und wie sollten die Kinder dabei genug lernen, damit nicht schon wieder ein halbes Schuljahr vertan wäre? Es war doch gerade erst wieder etwas wie Normalität eingekehrt. Naja, es half nichts, alle mussten versuchen, das Beste daraus zu machen. Und was sollen wir sagen, auf einmal tat sich unheimlich viel, was bestimmt keiner erwartet hätte: Unterricht nach Stundenplan, ein Videokonferenz-Tool, immer mehr Videokonferenzen, regelmäßige Aufgaben. Die Reaktion zu Hause?

Alle (ok, die meisten) saßen um 8:00 Uhr angezogen und frisiert vor den Endgeräten und nahmen am Unterricht teil, so gut es ging. Wahnsinn. Da haben ganz viele richtig gute Arbeit geleistet, und plötzlich lief es bei uns am Scholl! Klar, es musste sich vieles einspielen, aber das war so ein Unterschied zum ersten Lockdown, dass alle fast so etwas wie Aufbruchstimmung verspürten. Das hatten wir so vermisst im ersten Lockdown!

Und im weiteren Verlauf des Distanzunterrichts? Mussten wir ganz viel lernen. Dass es nicht reichte, nachzufragen, ob ein Kind die Aufgaben gemacht hat („Jaja, hab ich!“), man musste tatsächlich nachgucken, ob sie existierten. Und Blätter zusammensuchen, nach Fächern und Datum sortieren, abheften, alles nicht selbstverständlich. Jedenfalls in einer niedrigen Klasse. Und manchmal haben auch die Nachbarn im Umkreis von 200 m lautstark mitbekommen, dass sie ihre Hausaufgaben endlich erledigen sollten. Wir merkten, dass „freiwillig“ völlig unterschiedlich interpretiert werden konnte, nämlich von „muss ich nicht“ bis zu „natürlich machst du das“. Und dass „diese Aufgabe erfordert keine online-Abgabe“ synonym ist zu „freiwillig“. Wir mussten uns darauf einstellen, dass wir sonntags abends und spätestens jeden Schultag morgens und gerne auch zwischendurch in Moodle nach Aufgaben gucken mussten, die man oft nicht so schnell fand, weil sie manchmal in einem Fließtext, manchmal hinter einem Aufgaben-Symbol, manchmal in einem Video und manchmal in einem E-Mail oder einer persönlichen Moodle-Nachricht verborgen waren, mal von alt nach neu, mal andersherum sortiert. Der Drucker kam dann raus aus dem Büro, weil man sonst seine eigenen Videokonferenzen nicht mehr verstehen konnte, wenn das Kind gelernt hatte, allein mit dem Drucker umzugehen.

Wir haben uns flexibel auf die neuen Regelungen der Landesregierung eingestellt, die vorzugsweise freitags kamen und von der Schule übers Wochenende umgesetzt wurden. Wir lernten, wie man mit der Videokonferenz-Software umgeht, damit alle auch Bild und Ton hatten, nur um dann festzustellen, dass es „gar nicht geht, dass man als einzige/einziger seine Kamera anschaltet“, so dass die Lehrer*innen mit lauter schwarzen Kacheln reden mussten. Wir mussten die technische Ausstattung modernisieren, damit alle Personen im Haushalt gleichzeitig nicht nur zuckende Standbilder auf dem Bildschirm mit abgehacktem Ton hatten. Wir lernten wieder Sinus und Cosinus, Gedicht interpretationen, die Verwendung von present continuous, Energieerhaltungssätze, den Aufbau der Zellmembran und alles Mögliche, um Hilfestellung zu Aufgaben geben zu können, für die man nur noch 5 min Zeit hatte bis zur Abgabe.

Wir haben versucht, mit den Kindern jonglieren zu lernen, selbstverständlich nachdem wir die zugehörigen Bälle gehäkelt haben (die mit Mehl und Reis gefüllten Luftballon-Bälle haben sich nicht bewährt, davon zeugen noch die Flecken auf dem Teppich) und haben einige Sport-Online-Angebote kennenlernt (ok, das war WIRKLICH positiv, für uns, weniger für die Kinder). Wirhaben beim Pressen von Blumen geholfen, Stoffmasken genäht und FFP2-Masken im Backofen regeneriert. Wir mussten versuchen zu reproduzieren, was im Wechsel-Unterricht stattgefunden hatte, um nachvollziehen zu können, wie eine Aufgabe gemeint sein könnte. Wir lernten alle möglichen Dateiformate kennen und wie man sie am besten ausdruckt.

Wir konnten feststellen, wie viele digitale Endgeräte Kinder parallel zum Unterricht betreiben können, und dass man leider vorher überlegen muss, ob Aufgaben rechtzeitig hochgeladen werden können, ehe man das Handy konfisziert hat, auf dem die Software für die Kamera und die Erstellung von pdfs installiert ist. Und wir haben ein allzeit erreichbares Callcenter für die inhaltliche und technische Begleitung des Distanzunterrichts während unserer Arbeitszeit unterhalten.

Es war wirklich nicht so einfach, die Motivation über die ganze Zeit aufrecht zu erhalten, davon können sicher auch die Lehrer*innen ein Lied singen. Wir haben uns vor allem Gelassenheit geübt, wo das möglich war! Wir freuen uns aber jetzt sehr, dass es jetzt eine Perspektive für die Schule gibt, dass alle wieder kommen dürfen und es nach spätestens nach den Ferien hoffentlich normal weiter geht.

Ein großes Dankeschön an alle engagierten und motivierten Lehrer*innen vom Scholl, die uns in dieser verrückten Zeit so gut unterstützt haben!